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Pressestimmen

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12. August 2024

Die Himmelfahrt vor der Moderne

Andris Nelsons und die Wiener Philharmoniker mit Mahlers Neunter.

Wenn es in der Festspielintendanz von Markus Hinterhäuser ein musikalisches Gegenstück zum alljährlichen „Jedermann“ gibt, dann ist es Gustav Mahlers Symphonie Nr. 9. Zum fünften Mal seit 2017 ist dieses Werk an der Schnittstelle zur Moderne erklungen, in den Sommer des Schönberg-Jahrs passt es besonders gut: 1909 komponierte Mahler sein Abschiedswerk, gleichzeitig arbeitete sein Wiener Zeitgenosse an ersten atonalen Stücken. In Salzburg ist all das binnen weniger Tage zu hören: pures Festspielglück. Im Mahler-Originalklang der Wiener Philharmoniker drängt sich das Expressionistische der Neunten nicht in den Vordergrund. Andris Nelsons, der Jahr für Jahr an seinem Salzburger Mahler-Zyklus arbeitet, ist zwar ein Spezialist für Schostakowitsch, die Verbindungslinien zwischen den beiden Symphonikern erschließen sich hier kaum. Die Qualitäten des Orchesters berühren eine andere westliche Seite Mahlers, nämlich das Schwelgen in großem Klang. Fast eine halbe Stunde dauert im Großen Festspielhaus der Kopfsatz, genug Zeit, um die Schönheiten dieser Musik unter die Lupe zu nehmen. Pastos legst sich der warme, seelenvolle Streicherklang über die hauchdünne Struktur des zarten Nachtstücks, nur unterbrochen von den brillant dröhnenden Blech-Interventionen in den Seitengedanken des Riesensatzes. Wie Andris Nelsons das gemächlich ausbreitet, sich nicht in Kleinteiligkeit verliert, sondern einen Bogen über das große Ganze spannt: das ist schon sehr beeindruckend. 

Fast zu schön klingt dann der Ländler, die Kunstfertigkeit der Philharmoniker lässt das vermissen, was Mahler in der Vortragsbezeichnung – „etwas täppisch und sehr derb“ – ausdrücklich einfordert. Formvollendet gerundet das Blech, betörend das Holz: nur Matthias Schorn an der Klarinette bringt herzhaft alpine Volksmusik-Tönungen in Spiel. Auch vom zweiten Binnensatz bleibt trotz aller Präzision weniger das Diabolische der Rondo-Burleske in Erinnerung, das etwa Simon Rattle und die Berliner Philharmoniker kühl zugespitzt und „moderner“ zum Ausdruck gebracht haben, sondern die zarten Vorahnungen der abschließenden Sehnsuchtsmelodie. 

Dieses Adagio, einer der großen Schlusssätze in Gustav Mahlers symphonischem Kosmos, steht im Zentrum von Andris Nelsons Werksicht. Wieder sind es die Streicher, die einzelne Stimmen, Schattierungen wie Karamell zum Klang verschmelzen und diesem Satz ihren Stempel aufdrücken. Nelsons bringt diesen Satz in aller Ruhe zur Entfaltung und kostet die berührende Klangwirkung aus. Diese Himmelfahrt kann man nicht besser gestalten, alles verklingt und erstirbt atemberaubend nuancenreich. Ergriffenheit und langsam anschwellender Jubel.

27. Mai 2024

Stürmisch und harmonisch mit dem Altenberg Trio 

Schubert glättete die Schönberg’schen Wellen im traulichen Rahmen des Deutschlandsberger Klavierfrühlings. Die Konzertreihe des bekannten Klaviertrios aus Wien beim Kulturkreis Deutschlandsberg schwang sich mit einem Jungwerk Ernst Kreneks ein: der Triophantasie op. 63. Wendig und frisch wie ein Gebirgsbach perlt diese Phantasie im sich zuspitzenden Dialog zwischen Violine und Cello, während das Klavier unter Christopher Hinterhuber wie ein stetiges Flussbett dahinfließt. 

Für Schönbergs Kammersymphonie Nr. 1 erweitere sich die Bühne um die Klarinetten- und Flötenklänge von Matthias Schorn und Wally Hase. Die Fassung dieses Werks mit „zum Platzen gespannter Tonalität“ in der Fassung von Anton Webern ist klanglich entschlackt, aber nicht weniger dicht und wuchtig als die Originalbesetzung. 

Kraftvoll und voll Fokus sind die Musiker hier am Werk. Das Klavier als „Harmoniegeber“ verbindet den wilden stürmischen Anstieg der anderen Instrumente, die sich trotz solistischer Präsenz immer wieder paarweise formieren. Mit Schuberts Klaviertrio in B-Dur D898 kam das Altenberg Trio zu einem spielerisch wie schöpferischen Einklang. Dem innigen zweiten Satz schenkten die Musiker vollendeten Klang und einen unendlichen Atem.  

21. April 2024

Diese Tosca erschrickt vor sich selbst

Wiener Staatsoper: „Tosca“ mit Krassimira Stoyanova und Riccardo Massi als glaubhaftem Liebespaar.

Während draußen das sportliche Wien bereits auf den Marathon eingestellt war, verwandelte sich die Wiener Staatsoper zum mittlerweile 650. Mal mit Kirche Sant’Andrea della Valle, Palazzo Farnese und Engelsburg in das legendäre Bühnenrom der Margarethe Wallmann. Ihren Namen findet man auch auf einem Programmzettel, der im Rahmen einer Ausstellung zu Alma und Arnold Rosé im  Marmorsaal und im Balkonumgang zu sehen ist: Tschaikowskys „Eugen Onegin“ (von Wallmann stammte die Choreografie, Arnold Rosé war Konzertmeister) am 11. März 1938 war die letzte Vorstellung vor dem „Anschluss“. Den Krieg verbrachte die Bühnenbildnerin in Südamerika. Seit 1958 hat das Haus am Ring Wallmanns „Tosca“-Inszenierung im Programm. Ein unangefochtener Klassiker, der bereits Generationen von Stars und Publikumslieblingen umgab. 

Am Samstag präsentierte sich darin erstmals der Italiener Raccardo Massi als Cavaradossi. Ein Singschauspieler (mit Vergangenheit als Stuntman wohlgemerkt), wie man ihn sich nur wünschen kann – ausgestattet mit kraftvoller, sicherer Höhe. Ein Darsteller, bei dem alles echt wirkt. So glaubhaft und lebendig kommt das Geplänkel im ersten Akt rund um Toscas Eifersucht gegenüber der von Mario gemalten Schönheit selten über die Rampe. Massi und Krassimira Stoyanova harmonisieren als Paar hervorragend.

Stoyanovas frischer Sopran

Die Sopranistin gestaltete wie gewohnt voller Sorgfalt und mit Liebe zum Detail ihre Partie. Herrlich, wie frisch und kein bisschen angestrengt die Stimme vor allem in der Höhe klang. Über den Entschluss, Scarpia zu töten, scheint diese so gar nicht abgebrühte Tosca fast selbst erschrocken zu sein. Amartusvshhin Enkhbat verkörperte einen allzu eleganten Polizeichef. Dieser Scarpia hat nichts Finsteres, Infames. In Enkhbats noblem Bariton mit den wunderschönen Parlandi findet sich kein Tropfen bitterer Schwärze. Gut die kleineren Partien: Evgeny Solodovnikov (Angelotti), Ted Black (Spoletta), Stephano Park (Schließer) und natürlich Wolfgang Bankl als Mesner. 

Yoel Gamzou führte mit vornehmlich federnden Bewegungen das Orchester durch Giacomo Puccinis grandios farbenreiche Partitur. Im Mittelpunkt stand nicht die dröhnende, markerschütternde Wucht der Musik, sondern Schmelz und Wohllaut. Wo sonst werden das Celloquartett im dritten Akt und die Klarinette zu „E lucevan le stelle“ mit so viel Leidenschaft ausgeführt?

26. März 2024

Palmklang: “Das ist der Zauber der Musik” 

Im mittlerweile 15. Jahr seines Bestehens setzte das Palmklang-Festival in Oberalm einmal mehr neue Höhepunkte. Rilke trifft da auf den Jedermann, Volksmusik auf Chanson und steirische Schwestern auf afrikanische Brüder. 

Treffen sich drei Trios aus dem Mühlviertel, der Steiermark und Simbabwe in einem Turnsaal, als Überraschungsgast spielt ein Philharmoniker ein Tuba-Solo: Was sich anhört wie ein schlechter Musikerwitz, war tatsächlich der krönende Abschluss des heurigen Palmklang-Festivals am Sonntagabend.

Unter dem Motto “Brothers & Sisters” hatte der künstlerische Leiter des Festivals, Matthias Schorn, den Abend gestellt, mit dem Mühlviertler Familientrio Dumfart, den drei “Schick Sisters” Katharina, Veronika und Christine Schicho sowie den Sängern Ramadu, Vusa Mkhaya und Blessings Nkomo aus Simbabwe, die mit dem oberösterreichischen Pianisten Roland Guggenbichler als MoZuluArt auftreten.

“Es hat einfach einen ganz besonderen Zauber, wenn Geschwister miteinander musizieren”, meint Schorn. Gleichzeitig durfte das Motto des Abends aber auch im größeren Zusammenhang verstanden werden: “Spüren Sie diese Verbindung zwischen uns, ganz ohne WLAN oder Bluetooth? Das ist der Zauber der Musik, hier gibt es keine erste, zweite oder dritte Welt, so einfach könnte es sein”, meinte Schorn zum Publikum. “Das kann man sich nirgendwo runterladen und das kann auch in 1000 Jahren kein Computer nachmachen.”

Auch abseits der “Brothers & Sisters” war das heurige Palmklang-Programm reich an Höhepunkten: Am Samstagabend waren zum dritten Mal nach 2017 und 2022 “Federspiel” zu Gast, die in Oberalm ihr 20-Jahre-Jubiläumsprogramm vorstellten. “Dass sie an uns herangetreten sind und das ausgerechnet bei uns machen wollen, ist schon eine Auszeichnung”, freut sich Schorn. Die sieben Musiker stellten mit ihren Eigenkompositionen und der gewohnt humoristischen Präsentation eindrucksvoll unter Beweis, warum sie zu den angesagtesten Bläserensembles des Landes gehören, und wurden vom Oberalmer Publikum auch mit Standing Ovations gefeiert und erst nach drei Zugaben von der Bühne “entlassen”.

Den Auftakt des Festivals hatte am Freitag ein Ensemble aus heimischen Kammermusikgrößen sowie Nachwuchsmusikern aus Südafrika gemeinsam mit Schauspieler Cornelius Obonya bestritten, der zu den Klängen von Palmklang-Composerin Laura Winkler aus dem “Stundenbuch” von Rainer Maria Rilke las und – nach dem Schlussapplaus zu schließen – als neues Mitglied der Palmklang-Familie vom Publikum aufgenommen wurde.

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