Sie feiern das Leben statt den Abschied davon

Neubeuern – Das Minguet Quartett benennt sich nach dem spanischen Philosophen Pablo Minguet – aber bei ihrem Konzert auf Schloss Neubeuern spielen die Musiker alles andere als philosophisch bedächtig oder vergeistigt: Das Kaiser-Quartett von Joseph Haydn beginnen sie hochenergisch mit Hervorhebung der Auftakte als motivgebendem Element, klangvoluminös und mit viel Leuchtkraft, insgesamt mit scharfkantigem, ja manchmal schroffem Zugriff. Ausgesprochen schön gestalteten sie in der Durchführung das Genrebild mit den bukolisch brummenden Dudelsack-Quintbässen. Etwas irritiert waren sie von einem ständigen Störgeräusch im Saal, einem Klingeln, das aus einem Heizkörper zu kommen schien. So geriet ihnen das Adagio mit der Kaiser-Hymne als Thema etwas unfeierlich, auch ziemlich rasch im Tempo. Bekanntlich wird hier das Thema der Kaiser-Hymne streng als Cantus firmus in vier Variationen festgehalten – wohl aus Ehrfurcht vor eben dem Kaiser. Erhitzte Energie herrschte auch im Finale mit den Anfangs-Tutti-Ausrufezeichen in Moll, eine Energie, die sich in der Durchführung kurz vor der Reprise noch wildbewegt steigerte.

Im zweiten Stück hatten sich die Vier mit dem Klingel-Geräusch arrangiert, jetzt verständigten sie sich auch intensiver mit Blicken. Es war Beethovens 3. Satz aus seinem Streichquartett Nr. 15 op. 132 mit dem langen Titel: „Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit, in der lydischen Tonart“. Dieser Satz ist so lange wie das ganze vorhergehende Haydn’sche Quartett. Hier fand das Minguet Quartett zu einem durchweg bewegenden und klangschmelzendem Spiel. Mit breitem Bogenstrich ließen die vier Streicher (Ulrich Isfort und Annette Reisinger, Violine, Aida-Carmen Soanea, Viola, und Matthias Diener, Cello) die Töne anschwellen und immer wieder neu anheben, ließen die Stimmen sich verschränken, verschmelzen, sich trennen und sich wiederfinden, durchbrochen von Seufzer-Figuren und verzuckert mit süßen Trillern der ersten Geige. Dem Klarinettenquintett h-Moll op. 115 von Johannes Brahms schreiben manche Interpreten eine wehmütige Abschiedshaltung zu. In der Tat waren die wehmütig-leisen Stellen die Schönsten in der Präsentation durch das Minguet Quartett, das jetzt durch den Klarinettisten Matthias Schorn ergänzt wurde.

Dessen Klang war wunderschön in den Streicherklang eingebettet, vor allem im gedämpften Adagio, das innig, herbsüß und schmerzlich schön dahinfloss, manchmal mit einer Fahlheit, die schon an Gustav Mahler vorausdenken ließ, und manchmal mit einer Melancholie, die an einen einsamen Puszta-Hirten denken ließ, der auf seiner Klarinette bläst. Aber sonst herrschte durchweg klangsinnliche, vollblütige und heftig bewegte Lebenslust, die durch die vielfältige Motivverarbeitungskunst des alten Brahms hindurchleuchtete: kein Abschied vom Leben, sondern Feier des Lebens.

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