Diese Tosca erschrickt vor sich selbst

Wiener Staatsoper: „Tosca“ mit Krassimira Stoyanova und Riccardo Massi als glaubhaftem Liebespaar.

Während draußen das sportliche Wien bereits auf den Marathon eingestellt war, verwandelte sich die Wiener Staatsoper zum mittlerweile 650. Mal mit Kirche Sant’Andrea della Valle, Palazzo Farnese und Engelsburg in das legendäre Bühnenrom der Margarethe Wallmann. Ihren Namen findet man auch auf einem Programmzettel, der im Rahmen einer Ausstellung zu Alma und Arnold Rosé im  Marmorsaal und im Balkonumgang zu sehen ist: Tschaikowskys „Eugen Onegin“ (von Wallmann stammte die Choreografie, Arnold Rosé war Konzertmeister) am 11. März 1938 war die letzte Vorstellung vor dem „Anschluss“. Den Krieg verbrachte die Bühnenbildnerin in Südamerika. Seit 1958 hat das Haus am Ring Wallmanns „Tosca“-Inszenierung im Programm. Ein unangefochtener Klassiker, der bereits Generationen von Stars und Publikumslieblingen umgab. 

Am Samstag präsentierte sich darin erstmals der Italiener Raccardo Massi als Cavaradossi. Ein Singschauspieler (mit Vergangenheit als Stuntman wohlgemerkt), wie man ihn sich nur wünschen kann – ausgestattet mit kraftvoller, sicherer Höhe. Ein Darsteller, bei dem alles echt wirkt. So glaubhaft und lebendig kommt das Geplänkel im ersten Akt rund um Toscas Eifersucht gegenüber der von Mario gemalten Schönheit selten über die Rampe. Massi und Krassimira Stoyanova harmonisieren als Paar hervorragend.

Stoyanovas frischer Sopran

Die Sopranistin gestaltete wie gewohnt voller Sorgfalt und mit Liebe zum Detail ihre Partie. Herrlich, wie frisch und kein bisschen angestrengt die Stimme vor allem in der Höhe klang. Über den Entschluss, Scarpia zu töten, scheint diese so gar nicht abgebrühte Tosca fast selbst erschrocken zu sein. Amartusvshhin Enkhbat verkörperte einen allzu eleganten Polizeichef. Dieser Scarpia hat nichts Finsteres, Infames. In Enkhbats noblem Bariton mit den wunderschönen Parlandi findet sich kein Tropfen bitterer Schwärze. Gut die kleineren Partien: Evgeny Solodovnikov (Angelotti), Ted Black (Spoletta), Stephano Park (Schließer) und natürlich Wolfgang Bankl als Mesner. 

Yoel Gamzou führte mit vornehmlich federnden Bewegungen das Orchester durch Giacomo Puccinis grandios farbenreiche Partitur. Im Mittelpunkt stand nicht die dröhnende, markerschütternde Wucht der Musik, sondern Schmelz und Wohllaut. Wo sonst werden das Celloquartett im dritten Akt und die Klarinette zu „E lucevan le stelle“ mit so viel Leidenschaft ausgeführt?

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