Klassik zum Mitsingen

Im Martinstadl geben sich drei Klangzauberer die Ehre

In Wien pfiffen es die Spatzen von den Dächern, und die Passanten gleich mit – das Lied „Bevor ich zur Arbeit gehe“ aus der Komischen Oper „Der Korsar aus Liebe“ von Joseph Weigl. Der 27 Jahre junge Ludwig van Beethoven hat diesen damals langlebigen Ohrwurm im dritten Satz seines „Gassenhauer-Trio“ genannten Werks in B-Dur verarbeitet. Neun launige, raffiniert gesetzte und unterhaltsame Variationen des Liedthemas lang animiert die Musik im dritten Satz zum Mitsingen, nachdem die ersten beiden Sätze, stolz das Allegro con brio, lyrisch und zart das Adagio, heitere Stimmung verbreitet haben. Auch als Zuhörer im fast voll besetzten Martinstadl möchte man mitsummen, als am Sonntag ein erlesenes Trio aus Matthias Schorn, Klarinette, Clemens Hagen, Violoncello, und Oliver Triendl, Klavier, diesen Schlager aus dem Klassikfach mit kühnem Schwung aufführt; kraftvoll akzentuierend das Klavier, fast stürmisch die Intonation der Klarinette, lyrisch das Cello. Schön, wenn sich eine Melodie einfach so ins Ohr schmiegt.

Dass dies auf so selbstverständliche Weise geschehen kann, ist auch der Spielfreude der Musiker zu verdanken. Matthias Schorn aus Hallein ist Solo-Klarinettist der Wiener Philharmoniker und Gründer mehrerer Ensembles. Clemens Hagen ist seit 30 Jahren Mitglied des Hagen-Quartetts, einem Familienunternehmen, und lehrt als Professor am Mozarteum. Er spielt ein Violoncello von Antonius Stradivari aus dem Jahr 1698. Oliver Triendl, künstlerischer Leiter der Zornedinger Reihe, erweist sich einmal mehr als Weltklasse-Pianist, der in unterschiedlichsten Besetzungen souverän glänzt, mal partnerschaftlich verbindend als Fundament im Klanggefüge, mal in anspruchsvollen solistischen Passagen. Im viersätzigen Klarinettentrio in a-Moll von Johannes Brahms, einem Spätwerk, gibt es davon für alle drei Instrumente mehr als genug. In diesem Werk kostete der Komponist, der in seinem Schaffen eher die kraftvoll klingenden mittleren Lagen bevorzugte, die sonoren Eigenschaften von Klarinette und Cello voll und ganz aus. Dialoge zwischen den beiden, allerlei thematische Variationen, Taktverschiebungen, ein Andantino mit ländlerartigem Menuett, zuletzt Anklänge an den ungarischen Csardas gehören zu den Feinheiten dieses wundervollen Werks. Eigentlich wollte Brahms um 1890 mit dem Komponieren aufhören. Doch dann verzauberte ihn Richard Mühlfeld, der Klarinettist der Meininger Hofkapelle, mit seinem Spiel. Brahms nannte dessen Instrument wegen seines wunderbar weichen Tons „Fräulein Klarinette“.

Einen „Fräulein“-Ton zum Dahinschmelzen zaubert auch Matthias Schorn aus seinem Instrument. Sein Paradestück ist die „Premiere Rhapsodie“ von Claude Debussy für Klarinette und Klavier, geschaffen, um bei Wettbewerben zu glänzen, mit weitgespannten schwebenden Melodien und filigranen Klangfiguren. Der Solist kann zeigen, dass er sämtliche Spieltechniken und Klangfarben seines charaktervollen Instruments beherrscht, einschließlich jazziger Passagen. Matthias Schorn glänzt mit einer ungemein breiten Palette an Ausdrucksmöglichkeiten, mal scharf und schneidend, aber auch warm und geschmeidig.

Natürlich kommt an diesem Abend auch Clemens Hagen zu seinem Recht – in der ebenfalls von Debussy komponierten Cellosonate in d-Moll. Das Werk entstand 1915 im Geist der erbitterten Ablehnung Deutschlands und seiner Musiktradition. Es beginnt mit einem Prolog, als Erinnerung an den französischen Barock. Zweiter und dritter Satz, Serenade und Finale, bilden eine Einheit. Das Cello wird in diesem Stück, das an keine konventionelle Sonatenform gebunden ist, zur in Frankreich beliebten Bühnenfigur, zum Pierrot im Wechsel zwischen Streichen und Zupfen, zwischen Drama und Lyrik. Der Satz, in seiner Klangsprache zuweilen an spanische Rhythmen erinnernd, atmet Ironie und grotesken Humor. Clemens Hagen verleiht dem armen Pierrot durch seine Emotionalität und Hingabe an eine vollendete Klanggestaltung farbigen und sensiblen Ausdruck.

Gänsehaut extra gibt es bei der Zugabe, der „Rumänischen Melodie“ von Max Bruch, einem elegischen Stück, das unter die Haut geht. Zum Mitpfeifen ist es indes nur bedingt geeignet – zumal der BR das Konzert aufzeichnet.

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