„Nein, ich hör nicht auf zu träumen“

Konstantin Wecker, der große deutsche Liedermacher auf der von Winterstürmen vereisten Insel. Doch wer den romantischen Anarchopoeten am Sonnabend zum Abschluss des Festspielfrühlings Rügen in der ausverkauften Nordperdhalle Göhren erleben durfte, dem wurde warm ums Herz, der wird von einem wahrhaft einzigartigen Konzert erzählen können. Denn die alten und neuen Lieder, Weckers Gedichte und hintersinnigen Texte verschmolzen ebenso wie die Musiker der Begleitband allein für diesen Abend zu einem Programm, in dem der 70-Jährige einmal mehr – ganz im Sinne von Novalis – stimmgewaltig die Welt zu poetisieren suchte.

Man könnte das Konzert auch als eines zwischen Zärtlichkeit und Zorn beschreiben oder als Treffen der Generationen, weil es der Künstlerische Leiter des Festspielfrühlings, der Klarinettist Matthias Schorn, war, der die nur scheinbar verblüffende Idee hatte, Konstantin Wecker zu diesem Abschlusskonzert einzuladen und ihm eine Band von Musikern zu schenken, mit denen er noch nie gespielt hat.

Für Festspielliebling Schorn wurde damit ein Traum wahr. Und Wecker ließ sich gern auf dieses Unternehmen ein. „Wenn Matthias Schorn, dieser Weltklasseklarinettist, die Musiker aussucht, kommt dabei auch etwas heraus“, so der Liedermacher im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch das Geheimnis einer wundersamen Auferstehung verriet er uns nach der Abschlussprobe am Nachmittag. Wir wollen es noch ein wenig hüten. Nur so viel. Es hat mit Willi zu tun.

Schon nach wenigen Tönen auf dem Piano wusste wahrscheinlich fast jeder im Saal, dass Konstantin Wecker gleich im ersten Lied seinen größten Hit singen würde – die im bayrischsten Bayrisch erzählte Geschichte von Willi, der seit 40 Jahren in jedem Wecker-Konzert erschlagen wird. „Wie erschreckend aktuell“, ruft der Sänger, um dann, wie noch oft an diesem Abend, mit rechter Gesinnung, mit Killerkapitalismus und Finanzzombies abzurechnen, für eine gerechte, grenzenlose Welt zu plädieren und immer wieder Mut zu machen für ein selbstbestimmtes, angstfreies Leben – „Du selbst hast das Recht, dein Richter zu sein“. Natürlich spielte der seit vielen Jahren in der Toskana lebende Songpoet in dem dreistündigen Konzert all die Hits, die seine Fans erwarten durften – „Was ich an dir mag“, „Gefrorenes Licht“, „Lass mich einfach nicht mehr los“, „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“, „Nein ich hör nicht auf zu träumen“ – und wurde dafür zum Schluss mit stehenden Ovationen gefeiert.

Wie ein stolzer Vater drehte sich der zuweilen etwas milder scheinende Chef immer wieder zu seinen jungen Musikern um, ließ auch sie an Bass (Georg Breinschmid), Geige und Gitarre (Die Strottern), Klavier (Jarkko Riihimäki) und Klarinette (Matthias Schorn) glänzen und sang, jazzte und spielte mit ihnen, als kennten sie sich schon ewig. Auch das Pianoduell mit seinem langjährigen Freund und Begleiter am Klavier, Jo Barnikel, entwickelte sich erneut zu einem großen musikalischen Spaß. Von seinem Vater, dem erfolglosen, weisen Sänger, der den kleinen Konstantin die Welt der klassischen Musik erschloss, zeichnete Wecker im Laufe des Abends ein berührendes Porträt – „Du hattest die Größe, ich hatte Glück.“

Nach vielen vielen, auch italienisch gesungenen Zugaben, entließ Konstantin Wecker dann die über 1000 Jünger seiner Festspielfrühling-Gemeinde mit einer nahezu altersweisen Botschaft in die eisige Nacht: „Glück ist flüchtig, kaum zu fassen, es tut gut, sich einzulassen.“ Sollten wir nach diesem Abend noch einmal in ein Wecker-Konzert gehen? Auf dem Weg nach Hause dachten wir jedenfalls mit den Worten eines anderen deutschen Liedermachers: „Vielleicht wird‘s nie wieder so schön.“

Und Willi? Der ist immer noch unangepasst und wütend und laut. Damals in der Kneipe ist er wirklich mit einem Messer fast auf den Tod verletzt worden. Aber er lebt, der Willi.

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