Pfiffige Österreicher rockten Dechow

Mit Klarinetten, vollem Körpereinsatz und dem „Faltenradio“ begeisterten die Musiker. Sie holten auch Zuschauerinnen wie Elfi Thiele auf die Bühne. Den avisierten Paukenschlag mussten sie zwar mangels geeigneten Instruments schuldig bleiben. Nichtsdestoweniger ließen es die vier Österreicher Matthias Schorn, Alexander Maurer, Alexander Neubauer und Stefan Prommegger Donnerstagabend auf der Dechower Dorfbühne „richtig krachen“.Die leidenschaftlichen jungen Musikanten vom Wiener Crossover-Ensemble „Faltenradio“ setzten buchstäblich alles ein, was sie bei sich hatten, angefangen bei Klarinetten aller Größen und Klangfarben über ihre Körper und Stimmen – und zwar nicht nur für Mimik, Gestik, Volkstanz, Sprache und Gesang – bis hin zu jener klangvollen Konstruktion, die ihrer Gruppe den Namen lieh: Das originelle Faltenradio kennt man hierzulande nämlich auch, allerdings wohl eher als Schifferklavier, Treckfiedel, Quetschkommode, Harmonika oder Akkordeon.Ihre klassische Prägung war den vier virtuosen Klarinettisten namhafter österreichischer Klangkörper eines Tages nicht mehr genug, so dass sie sich ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Volksmusik besannen und dafür bewusst den Rahmen ihrer Heimat sprengten. Volksmusik sei ihrer Auffassung nach Weltmusik, stellten die Vier von „Faltenradio“ klar und mischten in ihrem Programm respektlos aber gekonnt englische Renaissancemusik und Klassik mit Klezmer oder Jazz mit Stei rischer Volksmusik. Den Auftakt machten zwei Kompositionen von Mozart, die der Superstar seiner Zeit allerdings nicht als Fünfjähriger schrieb, sondern kurz vor Vollendung seines exzessiven Lebens: die Kegelduette Nr.1 und 2. – 1786 entstanden aus einer jener Spielleidenschaften, welche den Großverdiener (umgerechnet 150 000 Euro Jahresgage) regelmäßig an den Bettelstab brachten.Laut „Faltenradio“ war auch Felix Mendelssohn-Bartholdy ein echter Genussmensch, wie sein Lieblingsgericht „Dampfnudeln und Rahmstrudel“ nahe legt, dem er ein ausführliches musikalisches Denkmal setzte. Aha-Effekte wusste das Crossover-Quartett dem Dechower Publikum auch bezüglich der früher viel besungenen Minne und jener von Künstlern vermeintlich oft heraufbeschworenen Todessehnsucht zu verschaffen, denn „gemeinsam Sterben“ war für frühere Generationen die durchaus jugendfreie Umschreibung für den körperlichen Liebesakt schlechthin.Beim Thema bleibend stellte „Faltenradio“ auch anheim, dass jene von Bergvölkern weltweit entwickelten Stimmübungen wie Juchiza oder Jodler nicht nur der kommunikativen Überbrückung weiter Distanzen dienen mögen, sondern durchaus auch als „Brunftschreie“ zu deuten wären. Die spontane Kostprobe mitten aus dem Saal war nur eine von vielen Überraschungen des kurzweiligen Abends. So animierten eine „Reitsteig Polka“ sowie ungarische und rumänische Volksweisen die vier Vollblutmusikanten sogar zu „boarischen“ (bäuerlich österreichischen) Tanzeinlagen mit regelrechter Bodypercussion, die auch das Publikum nicht kalt ließ.Musik der unterschiedlichsten Völker und Epochen offenbarte in der Bearbeitung von „Faltenradio“ ungeahnte Gefühle, Stimmungen und Leidenschaften. Dieses Dechower Erlebnis bestärkte einmal mehr die Vermutung, dass sich Musik wohl doch nicht so passgenau in Schubladen pressen lässt. Die Gäste des Abends jedenfalls machten sich höchst angeregt und aufgeschlossen auf den verschneiten Heimweg in alle Himmelsrichtungen.Als Gastgeberin Irmgard v. Puttkamer vergangenes Jahr den Wiener Philharmoniker Matthias Schorn in Schwerin-Zippendorf zum ersten Mal als Soloklarinettisten live erlebt hatte, nahm sich die Dechower Kultur-Aktivistin ein Herz und sprach den designierten Preisträger der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern wegen eines eventuellen Gastspiels an. Der gebürtige Salzburger sagte zu, mit seinen Freunden vom „Faltenradio“ zu kommen, und so kam es zu jener „Sensation“, dass die kleine aber überaus feine Dorfbühne den diesjährigen Festspielstar bereits jetzt präsentieren konnte.Dieser Umstand war dem öster reichischen Fernsehsender Servus TV Anlass genug, ein ganzes „Hoagascht“-Team samt der Moderatorin Christina Brunauer in den hohen Norden zu entsenden. „Die beinahe tausend Kilometer von Salzburg her sind wir gern gekommen“, gestand Produktionsleiterin Brigitte Ehrhart auch aufgrund der herzlichen Aufnahme durch die durchweg ehrenamtlichen Macher und Helfer der Kulturtage Dechow. Das wöchentliche Volkskultur-Magazin „Hoagascht“ habe seine Namen übrigens von der im Alpenraum beliebten Gepflogenheit, sich nach vollbrachtem Tagwerk vor dem Haus zu einer Art lustigem „Klönschnack“ – wie man ihn auch im Norden mag – zu treffen, nur dass die Alpenländler dabei auch Brauchtumspflege, Gesang, Musik, Volkstanz und allerlei Gaudi nicht abgeneigt sind. Wer die Sendung über „Faltenradio“ sehen möchte, kann das am 12. April, ab 19.45 Uhr (Wdh. SA 15 Uhr) auf Servus TV über Kabel oder Satellit.

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