Musik, die in keine Schublade passt

Regen. Eigentlich erwartet man zum Auftakt eines Volksmusikfestivals einen zünftigen Volksmusik-Abend mit Landlern, Gstanzln und allem, was dazu gehört. Diese Erwartungen wurden nicht erfüllt, im Gegenteil: alle Erwartungen − welcher Art und Größenordnung auch immer – wurden übertroffen. Die Gruppe Faltenradio spielte beim Eröffnungskonzert am Donnerstagabend im Landwirtschaftsmuseum Musik, die mit jedem Genre-Klischee aufräumt. Bei den vier österreichischen Musikern, von denen jeder Klarinette und Harmonika spielt, wird schon mal ein Boarischer klassisch konzertant dargeboten oder ein Cellokonzert von Friedrich Gulda zu einer Popnummer mit Funk- und Volksmusikelementen für Alt- und Bassklarinette umfunktioniert. Aber wer braucht schon eine Genre-Zuordnung? Die Zuhörer des Konzerts sicherlich nicht. Denen war es reichlich egal, was die vier Musiker spielten. Denn was es auch war, es war brillant arrangiert und noch viel brillanter gespielt. Faltenradio, das sind die vier Profi Musiker Alexander Maurer, der „schnöselige“ Moderator und Harmonika- Virtuose, Alexander Neubauer, der Jazzer, Matthias Schorn, der Klarinetten- Zauberer, und Stefan Prommegger, der Arrangeur, Sänger und Spezialist für die tiefen Töne auf der Klarinette. Seit zweieinhalb Jahren gibt es die vier in dieser Konstellation. Ihr Prinzip: Jeder muss jedes Instrument spielen. Im Umlauf waren zwei Harmonikas, zwei Trommeln, zwei Bass-, eine Alt und diverse B-Klarinetten. Vor dem Durchwechseln wird kein Halt gemacht, auch wenn so ein Klarinettenübergott wie Matthias Schorn − Soloklarinettist bei den Wiener Philharmonikern − im Ensemble ist. Das bedeutet auch mal Schwäche zeigen. Doch die Gruppe fängt das auf, denn die Stücke sind den Männern auf den Leib arrangiert. In ihrem Programm streiften die vier Männer im Alter von 27 bis 35 Jahren Jahrhunderte der Musikgeschichte. Den Abend ließen sie ganz klassisch mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Kegelduetten“ beginnen. Danach ging es zeitlich einen Sprung zurück in die Renaissance. Stefan Prommegger hat die Sehnsucht zu einer für ihn unerreichbaren Frau besungen. Er sang die Strophen, den Refrain danach spielten er und Matthias Schorn auf ihren B-Klarinetten. Der Übergang zwischen Gesang und Spiel war kaum spürbar, die beiden ließen die Klarinetten regelrecht singen. Krass war der Übergang zum nächsten Stück: Ein lauter Juchitzer aus der Ecke leitete zum Volksmusik-Part über. Im zweiten Teil des Programms ging es musikalisch in Richtung Orient, es gab Klezmer-Klänge und Jazz. Vor allem Alexander Neubauer spielte sich hier mit allen Kniffen: Er ließ die Klarinette jammern und jaulen. In Glissandi hangelte er sich in der Tonleiter bis ganz nach oben. So furios und laut die Truppe in dem einen Moment aufspielte, im nächsten Moment war sie so leise, dass man direkt „Ganslhaut“ bekam, wie der Österreicher sagen würde. Das Publikum ging begeistert mit, was auch an der guten Akustik im Raum lag. Nach einem Decrescendo war es still im Raum und ganz plötzlich schwappte die gute Stimmung so über, dass aus den Zuschauer-Reihen zurück gejuchitzert wurde. Dass die drei Salzburger und der Steirer sich auch noch mit witzigen Zwischenmoderationen zu verkaufen wussten, dass es ihnen gelang, nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch mit Dialogen und Quizfragen das Publikum mit ein zu beziehen, machte den Abend dann wirklich perfekt. Faltenradio hat bewiesen, dass Musik −wenn sie gut gemacht ist − die Leute immer begeistert. Dass der Jazz- Liebhaber auch mal Volksmusik und der Klassik-Begeisterte Klezmer-Klänge gut finden darf. Als Bürgermeisterin Ilse Oswald noch vor Konzertbeginn sagte: „Nun ist Regen vier Tage lang der musikalische Nabel der Welt“, wusste sie vermutlich noch nicht, dass das Regen bereits an diesem Abend werden würde.

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