Musikalische Revolution der Zärtlichkeit

Umjubeltes Abschiedskonzert des Rügener Festspielfrühlings mit Konstantin Weckers „Poesie und Widerstand“ am Sonnabend in der Göhrener Nordperdhalle. Intendant Markus Fein und Matthias Schorn, künstlerischer Leiter des Rügener Festspielfrühlings, waren ergriffen nach dem Abschlusskonzert am Sonnabend und mit ihnen 700 Zuhörer in der ausverkauften Göhrener Nordperdhalle. Viel „Poesie und Zärtlichkeit“ hat Konstantin Wecke in seiner Kindheit erfahren und sollte einer werden, der das auch weitergeben kann. Wecker berührt die Menschen tief im Inneren und gibt ihnen etwas, das sich offenbar jeder im Grunde seines Herzens wünscht. Was im modernen Kulturbetrieb „Attitüde“ heißt, ist bei Wecker blanke Authentizität und als er nach fast drei Stunden die letzte von etlichen Zugaben anstimmt, hätte man eine Stecknadel fallen hören. „Es sind die Momente der Stille, nicht des Applauses, die den Künstler ehren“, bedankt sich der Liedermacher dafür anschließend mit Tränen in den Augen.

Grandiose Musiker und Ausflüge in die Wissenschaft

„Ich habe das Gefühl, dass gerade etwas sehr Gutes passiert ist“, kommentiert ein ebenfalls sichtlich gerührter Matthias Schorn das Geschehen auf der Bühne, Der Klarinettist der Wiener Philharmoniker war gemeinsam mit Georg Breinschmid (Kontrabass), dem Wienerlied-Duo „Die Strottern“sowie Jo Barnikel und Jarkko Riihimäki am Flügel Teil davon. Gemeinsam mit dem von ihm verehrten Konstantin Wecker hatte Schorn die Lieder des Abends ausgewählt, arrangiert und begleitet. So wurde der „Leiermann“ aus der Winterreise von Franz Schubert zum fetzigen Klezmer-Song und die Klasse des Ensembles wurde spätestens bei dem improvisierten Medley von Kalinka über einen Syrtaki bis zum Ententanz offenbar. Eindringlich, nie aufdringlich, rezitiert Wecker zwischendurch eigene Gedichte, erzählt vom Maulbeerbaum vor seinem Fenster und macht Ausflüge in Philosophie („Poesie lehrt uns, dass Worte nur Symbole sind“) und Naturwissenschaften („Eigentlich ist Materie nichts anderes als gefrorenes Licht“). Den schwungvollen Blues, „Mich hat der Wehdamm“, beendet er schnaufend mit dem Bein auf dem Klavier und zum Lied „Questa nuova realta“ (Diese neue Wirklichkeit) wandelt er Fans umarmend durch die Reihen des Publikums.

Politische Botschaften und Liebeslider

Offiziell wollten die Festspiele keine politische Botschaft senden, aber bereits am Donnerstag wurde es gesellschaftskritisch, als der Chansonnier HK Gruber Lieder von Eisler und Weill sang. Auch Konstantin Wecker machte beim Göhrener Abschlusskonzert aus seinem Herzen keine Mördergrube. Das tut er nie. Sein Publikum erreicht er aber vor allem mit der „Poesie der Zärtlichkeit“. Umjubelt waren daher Lieder wie das „Liebeslied eines älteren, gereiften Herrn, das man auch im Sitzen singen kann“. „Denn was böte die Zeit mir, die mir noch bliebe / brauch’ dich zum Leben, weil ich Dich liebe“, heißt es darin. Spätestens bei „Buonanotte Fiorellino“ (Gute Nacht, Blümlein) flogen ihm die letzten Herzen zu: „Wir sind ja nun schon ein altes, nur selten idyllisches Paar. Doch ich spüre noch immer den zärtlichen Zauber, der in uns von Anfang an war“, sang Wecker zum Sterben schön. Wecker sei ein „poetischer Philosoph von großer Weisheit“, schwärmte eine Besucherin. Der beendet den Abend mit dem Wunsch: „Einfach wieder schlendern, ohne höh’ren Drang. Absichtslos verweilen, in der Stille Klang“, sprach’s und schlenderte zur Abschiedsparty im Selliner Cliff Hotel.

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