Umleitung für die Genre-Krise

Gross Plasten (bb). Manchmal macht die Krise der Kammermusik einen großen Bogen um kleine Konzertsäle. Die Reihe „Junge Elite“ der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern mit ihren erlesenen jungen Ensembles und Solisten in hochherrschaftlicher Atmosphäre, die den morbiden Charme vergangener Tage atmet, ist eine regelrechte Großumleitung. Hier bleibt die Kammermusik auch im Zeitalter der Massenkommunikation eine intime Angelegenheit: Schutzraum des Nicht-Vermarktbaren, Insel der Seligen, in deren allerseligstem Winkel die Gattung Klavier- oder Klarinettentrio wohnt. Kammermusik-Anhänger sind ein Spezialpublikum, dafür notenkundig, treu und wie am Freitagabend im Schlosshotel Groß Plasten mit über 150 Zuhörern gar nicht mal klein. Das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier d-Moll op. 3 von Alexander von Zemlinsky wird von dem jungen „Trio Marc Chagall“ in verschmolzenem Zusammenklang zelebriert – mit einem raffinierten, überraschend ausbalancierten Tempo. Gerade schnell genug, dass der Spannungsbogen bis zum Ausbruch des Lyrischen im Andante nicht zerbricht. Und langsam genug, dass das Cello (Maria Grün) keine Mühe hat mit den Saitenwechseln. Dem Klarinettisten Matthias Schorn entfließen auch heikle Stellen wie Seufzer der Erleichterung. Glanz und musikalische Eleganz, die das Spiel der Wiener Musikstudenten kennzeichnen, bringen allerdings für Beethovens Gassenhauertrio und dessen undramatischen Konsenz einen zu engagierten, schwelgerischen Ton mit. Der Wortlaut Goethes von den „Drei vernünftigen Leuten, die sich untereinander unterhalten“ dürfte nur bedingt auf die österreichischen Solisten zutreffen: Herrlich ungestüm gehen sie an Johannes Brahms a-Moll-Trio op. 114. Die Tempi sind schneller, flexibel, durchdynamisiert. Die Kontraste wirken geschärft, die Akzente gespitzt. Geradezu dramatisch inszeniert etwa das Finale, in dem die Musiker den ungarischen Tonfall Brahms’ bis zum Letzten auskosten. Bedenkt man, dass die drei erst gut ein Jahr als Trio firmieren, darf man sich auf die Entwicklung der jungen Künstler freuen. Der Applaus im engen Kreis war jetzt schon voll anerkennender Freude.

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