Voller Saft und Kraft

Energisch auftrumpfend: unter der energiegeladenen Leitung von Hans Graf setzte das Mozarteumorchester am Mittwoch (28.9.) sich und dem Veranstalter einen Markstein an Interpretation. Mittendrin betörte Klarinettist Matthias Schorn die Hörer.

Mit Richard Strauss‘ opulenter Klangsprache lässt sich wohl klotzen. Um sie zu voller Wirkung zu bringen, bedarf es aber weit mehr. Nämlich nach überwältigend aufrührerischem Einstieg in den „Don Juan“ braucht es doch auch differenzierte Klangbalance. Die lieferte das Mozarteumorchester, das seine instrumentalen Meriten wieder einmal in voller Besetzung im Großen Festspielhaus auffächern durfte. „Don Juan“ ist ja der Geniestreich einer Tondichtung in frei variierter Sonatenhauptsatzform, quasi der symphonische „Rest“ eines Operngedankens, nun nach dem in Ischl von Nikolaus Lenau begonnenen Gedicht. Hans von Bülow sprach abschätzig von „Notzucht an Euterpe“.

Schwungvoll ging es in das Liebesleben des Schwerenöters. Aufrüttelnd und so kraftvoll, dass Konzertmeister Markus Tomasi mitunter fast Mühe hatte, dessen betörendes Werben gegenüber dem tönenden Umfeld durchzusetzen – um dann mit traumwandlerischer Sicherheit aller Beteiligten die nächtliche Liebesszene betörend genussvoll auszukosten.

Zehn Opuszahlen später regte Friedrich Nietzsche „Also sprach Zarathustra!“ zu einer frei angelegt wesentlich größeren Fantasie an. Der Strauss ursprünglich den Untertitel „Symphonischer Optimismus in Fin de Siécle-Form, dem 20. Jahrhundert gewidmet“ mitgab. Vor 120 Jahren aus der Taufe gehoben ein Kompendium seiner Kunst der Orchestrierung, darin klar hinein verwoben traditioneller Kontrapunkt, ein Scherzo, Adagio und Finale samt Coda. Auch Vorwegnahme der Zukunft, etwa im seitens der sieben Kontrabässe selten so klar strukturiert angestimmten Zwölftonthema zur Wissenschaft, vierzehn Jahre vor Schönberg. Auch in Strauss‘ Vorstellung von Farben in Verbindung mit Tonarten ähnlich Skrjabin: das „Dunkelblau der Leidenschaft“ im As-Dur-Thema, vom bekrönenden Blech strahlend intoniert. Die prächtigen Holzbläser wiederum boten gelegentlich gedankliche Anknüpfungspunkte an Strawinsky, und mit solch sorgloser Heiterkeit hätte wohl auch Fritz Kreilser ähnlich einen wienerisch getönten Walzer angestimmt.

Vom allgemein bekannt überwältigenden Einstieg mit den Naturtönen C-g-c, über deren Skizze Strauss selbst schrieb: „Die Sonne geht auf. Das Individuum tritt in die Welt oder die Welt ins Individuum“ bis hin in den ambivalent bitonalen Ausklang achtete Hans Graf souverän auf zu jedem Moment präziser Umsetzung des Klangfreskos, zügig und zugleich wirkungsvoll auch für jene ohne Kenntnis philosophischer Gedanken.

Das wurde nicht weniger anhaltend bejubelt wie vor der Pause Matthias Schorn. Wie arm wäre wohl die Musikwelt ohne die Weiterentwicklung des Nürnberger Jacob Denner aus der Schalmei zur Klarinette, der Wolfgang Amadé Mozart mit seinem A-Dur-Konzert KV 622 gleich einen einsamen Gipfel der Literatur komponierte. Schorn, als dritter Soloklarinettist ein weiterer Salzburger in Reihen der Wiener Philharmoniker, spielte sich locker durch die spritzigen Ecksätze, betörte aber speziell durch sagenhafte Pianokultur im Adagio. Wie auch in der Zugabe: ein Arrangement von Franz Schuberts „Ständchen“ D 957/4, dem, wie schon zuvor, Graf mit dem Mozarteumorchester genauso beglückend assistierende Begleitung andiente.

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