Mit 25 Jahren hatte er bereits die Wiener und die Berliner Philharmoniker sowie das Israel Philharmonic Orchestra dirigiert.“ Das schreibt sich so einfach hin in der Biographie. Zubin Mehta ist Achtzig. Das ist eine Zeitspanne, für die das Wort „Geschichte“ wohl angebracht ist.

Seit 55 Jahren also am Pult der Wiener Philharmoniker. Da ist man im schlechtesten Fall Doyen. Im besten Fall – und wir erlebten am Samstag (6.8.) im Großen Festspielhaus den allerbesten – ist man ein mental jung gebliebener Musiker mit der nötigen Spannkraft, um beispielsweise Bruckners vierte Symphonie vom ersten Tremolo-Einsatz der Streicher weg mit ruhiger und sicherer Hand so neu zu malen, dass man das fertige Bild schließlich guten Gewissens signieren kann. Zubin Mehta!

Wenn jemand dieses Orchester bis in seine Tiefenschichten kennt, dann ist er es. Mehta ist der mit Abstand „Wienerischste“ aller gegenwärtigen Pultmeister (die Schule von Hans Swarowsky hat ihn nachhaltig und auf Lebenszeit geprägt). Die Philharmoniker ihrerseits vertrauen ihm blindlings und lesen ihm jeden Wunsch von Blick und kleiner Geste ab. Dieser Bruckner: Das war eine Sternstunde des Wissens um einander, der gegenseitigen Vertrautheit und des interpretatorischen Gleichklangs. Nicht die Spur von quasi posthumer Huldigung oder gar ein „Geburtstagsständchen“ für den „Alten“: Es war ein gutes Stück künstlerische Bilanz, getragen vom Wissen, was Miteinander-Leben auf 55 Jahre ausmacht.

Zubin Mehtas farbenfrohes Bild machte in jeder Phrase klar, warum die Vierte „Romantische“ heißt. Es ist nicht deswegen, weil der Komponist irgendwelche Begriffe wie „Morgendämmerung“ oder „Waldesrauschen“ im Kopf gehabt hätte. Es ist die Einstellung, Stimmungen beständig verändern zu wollen, Befindlichkeiten unterschiedlich auszuleuchten, Themen und Satzkonstrukte im Licht der jeweiligen Instrumentation so zu gewichten, dass vom strahlenden Lachen bis zur nachhaltig sich festsetzenden Melancholie so gut wie alles aufzuspüren ist.

Die Wiener Philharmoniker sind an dem Abend in maximaler Stärke für Bruckner angetreten, aber sie haben so leicht und durchsichtig gespielt, dass man gar Erstaunliches vernahm – die kecke Klarinetten-Fußnote gegen Ende des vierten Satzes vielleicht in dieser Form sogar zum ersten Mal. Zubin Mehta hat hören lassen, was ihm in sechs Jahrzehnten der Beschäftigung mit Bruckner aufgefallen ist.

Logo: Matthias Schonr
Suche
Close this search box.