Die Philharmoniker brillierten mit Strawinsky und waren ideale Partner für Buchbinder in Beethovens Es-Dur-Klavierkonzert. Warum nicht einen Abend mit einem großen klassischen Klavierkonzert beginnen, daran eine selten gegebene Ballettmusik anschließen und mit einer symphonischen Dichtung enden, in der ein Orchester alle Register seiner Kunst ziehen kann? Mit dieser unkonventionellen Zusammenstellung bestritt Riccardo Muti das „Philharmonische“ vom Wochenende, aber auch den vierten Abend des Rudolf Buchbinder gewidmeten Musikvereins-Zyklus. In seinem Rahmen führt der Pianist mit fünf bedeutenden Orchestern sämtliche Beethoven-Klavierkonzerten auf. So wie bei Beethovens drittem Klavierkonzert, das Buchbinder vor wenigen Wochen mit den (mehr lautstark auftrumpfenden als sensibel begleitenden) Münchner Philharmonikern unter dessen Chefdirigenten Valery Gergiev realisierte, setzte er auch bei seiner Interpretation des gern mit dem Titel „Emperor“ versehenen fünften Klavierkonzerts auf die große Geste. Virtuos und kraftvoll bewältigte er die Herausforderungen der beiden Ecksätze, wartete immer wieder mit unerwarteten Akzenten vor allem im Bass auf. Damit demonstrierte Buchbinder einmal mehr, dass jahrzehntelange Auseinandersetzung mit einem Werk kein Abgleiten in Routine bedeuten muss, sondern vielmehr Aufforderung sein kann, Neues zu entdecken und herauszukehren. Ausführlich erstand das mittlere Adagio un poco mosso, dessen melodisches Lineament sich stellenweise noch poetischer und mit einer differenzierteren Anschlagspalette hätte nachzeichnen lassen.
In gewissem Sinn ging es auch nach der Pause mit Klaviermusik weiter. Denn Igor Strawinsky ließ sich von Klavierstücken seines Landsmanns Peter Iljitsch Tschaikowski zu seinem Märchenballett „Le Baiser de la Fée“ anregen. Später filterte er daraus ein knapp halbstündiges Divertimento für den Konzertgebrauch und erstellte eine ähnlich pointierte Version für Violine und Klavier.
Muti bestritt mit diesem „Kuss der Fee“ die einzige Ballettpremiere in seiner fast zwanzigjährigen Tätigkeit als Musikdirektor der Scala, mit dessen Orchester er dieses Werk auch eingespielt hat.
Mit den „Wienern“ gelang ihm eine von brillantem Witz, ansteckender tänzerischer Attitüde und kammermusikalischer Dezenz erfüllte, die allegorische Idee dieser Musik exzellent vermittelnde Darstellung – mit Konzertmeister Volkhard Steude, den bestens aufeinander abgestimmten, eloquent phrasierenden Bläsern Karl-Heinz Schütz (Flöte), Clemens Horak (Oboe) und Matthias Schorn (Klarinette) sowie dem mit großem Ton prunkenden Cellisten Róbert Nagy als exquisiten Solisten. Mit Respighi nach Rom. Überboten wurde dieser „Tschaikowski im Strawinsky-Kleid“ noch durch das Schlussstück dieses bejubelten Abends: Ottorino Respighis klangmächtig aufrauschende, ebenso stimmungsvolle Idylle und Pathos ausbreitende Tondichtung „Pini di Roma“. Mit einer Souveränität sondergleichen führte Riccardo Muti die auch hier glänzend aufspielenden Philharmoniker durch die vier Episoden dieses römische Geschichte und Landschaft faszinierend verknüpfenden Orchestertableaus, das sich keineswegs in monumentaler Klangherrlichkeit erschöpft.
So wirkungssicher Respighi seine Partitur inszeniert: Ebenso wichtig sind ihm die intimen, durch Debussys Klangwelt inspirierten Momente. Genau darin lag das Besondere von Mutis Interpretation: dass er sich beiden Atmosphären gleichermaßen intensiv widmete, zudem die vier Stücke zu einer sich zu atemloser Spannung fügenden pausenlosen Erzählung zusammenführte. Beispielhaft.