Motschmanns Klarinettenkonzert in Hannover uraufgeführt

Überraschung beim 3. Ring-A-Konzert des NDR: Trotz Richard Wagner und Richard Strauss im Programm hieß der Punktsieger unter den Komponisten Johannes Motschmann.

HANNOVER. Man ist inzwischen verwöhnt von der NDR Radiophilharmonie. Chefdirigent Andrew Manze, seit 2014 im Amt, hat die Messlatte so hoch gelegt, dass jeder Gast auf dem Pult nunmehr seine Schwierigkeiten bekommen kann. Diese Erfahrung musste im Großen Sendesaal auch Alexander Shelley machen. Der wusste zwar Richard Wagners Vorspiel zu den „Meistersingern von Nürnberg“ einen gewissen Glanz zu verleihen, konnte aber diffuse Momente nicht verhindern. Und als nach der Pause Richard Strauss’ Fantasie „Aus Italien“ erklang, fehlte die Grundspannung, die Sorgfalt im Detail – das klang trotz spritziger Flöteneinlagen, kompetenter Perkussion und ein paar Funken Übermut im Finale schlichtweg zu brav. Zum Glück war auch noch eine Uraufführung angesagt, ein Stück Neue Musik, das hoffentlich noch häufiger zu hören sein wird. Die akademisch wirkenden Erklärungen zu Johannes Motschmanns Klarinettenkonzert ließen zwar Schlimmes befürchten, doch es erwies sich, dass über der Kopfarbeit die Sinnlichkeit nicht aus dem Blickfeld verschwunden war. Der Einsatz der Klarinette erfolgt ungewöhnlich spät, und überhaupt geht es dem Komponisten nicht darum, solistischen Glanz vor untergeordnetem Orchesterspiel zu verbreiten. Das Zusammenwirken ist hier vielmehr von entscheidender Bedeutung, so dass der Hörer im Extremfall die Klänge nicht einmal mehr zweifelsfrei bestimmten Instrumenten zuordnen kann – eindeutig eine Erweiterung der gängigen Soundpalette. Darin erschöpft sich das knapp halbstündige Stück indes nicht. Zu behaupten, es würde zwischendurch rocken, wäre zwar übertrieben, aber an rhythmisch eingängigen Passagen mangelt es keineswegs. Auch breiten sich zuweilen repetitive Strukturen aus, wie man sie aus der Minimal Music kennt, kommen allerdings zum Abschluss, bevor sie in gar zu gefällige Gefilde des Hypnotischen driften. Natürlich braucht dieses Stück einen Solisten, der nicht um jeden Preis im Vordergrund stehen will. Matthias Schorn war ein solcher, ordnete sich ins Gesamtgeschehen ein und ließ die beträchtlichen Schwierigkeiten seines Parts nie heraushängen. Der Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker verfügte über ein breites dynamisches Spektrum und beherrschte fließende Läufe und sanfte Schiebungen. Uraufführungen bei Klassikkonzerten werden vom Publikum oft eher hingenommen als gefeiert. Nicht so an diesem Abend: Motschmanns Werk erntete mit Abstand den größten Applaus. Zu Recht.

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