Exotischer Charme und jugendliches Charisma

Die Wiener Philharmoniker sind wählerisch bei der Einladung von Dirigenten, vor allem die Abonnementkonzerte sind ein Zirkel, in den nicht jeder aufgenommen wird. Dort, in den Vormittagskonzerten im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, gab am Wochenende Gustavo Dudamel sein Debüt. Diese Matinee mit den Wiener Philharmonikern war beglückend. Der 30-jährige Gustavo Dudamel hat es innerhalb weniger Jahre zum Weltstar gebracht. In seiner Heimat Venezuela als Chefdirigent des Simón-Bolívar-Jugendorchesters das Aushängeschild des „Sistema“, also des Musik- und Sozialprojekts, dazu Chefdirigent der Göteborger Symphoniker und des Los Angeles Philharmonic Orchestra, genießt der lockenköpfige Pultheld einen einzigartigen Status. Am Pult der Wiener Philharmoniker stand er erstmals 2007 in Luzern. Am Samstag (und in einem zweiten Konzert am Sonntag) ließ sich nicht nur die junge Generation der Wiener Philharmoniker von Dudamels Temperament mitreißen, das dieser mit unmissverständlicher Körpersprache und homogener Schlagtechnik unter Kontrolle hält. Das Jugendwerk von Richard Strauss, die Tondichtung „Don Juan“, erhielt in den stürmischen Stellen, in der Apotheose des Frauenhelden fast plakative Färbungen durch die kollektive Lust am Auftrumpfen, kontrastiert von den introvertierten Phasen poetischer Reflexionen. Diese wiederum rückten in den Vordergrund in Mendelssohns „Schottischer“ Symphonie nach der Pause, die Dudamel dank der Wiener Orchesterkultur zu einem noblen Empfindungsgemälde tragisch getönter Geschichten zwischen düsteren Burgmauern und herber Landschaft aus vergangenen Zeiten aufspannte.
Dudamel hatte sich so gut vorbereitet, dass er auf Partituren verzichten konnte, mit Ausnahme des jüngsten Werks, dem Konzert für Klarinette und Orchester des Vorarlbergers Herbert Willi aus 2005. Von der Klangkultur des jungen Philharmonikers Matthias Schorn schwärmen viele Dirigenten, der Salzburger – der zweite Debütant dieser Matinee – zählt zur virtuosen Spitzenklasse. Das von zwei verinnerlichten Solokadenzen umrahmte Stück ist aus der Idylle geschöpft, es zählt zum „Montafon“-Zyklus des naturverbundenen Komponisten, der mit harmonischen Klangfarben von Streichern, Marimba, Akkordeon sowie mit Rhythmuswechseln spielt. Da ließen sich Dudamel und mit ihm der fabelhaft bewegliche Matthias Schorn merklich inspirieren, wenn es in den orchestralen Mittelsätzen jazzig wird wie bei Benny Goodman. Tänzerische Bewegtheit wechselte mit zurückgenommener, in sich versunkener Melodik der Klarinette, die sich innig an den philharmonischen Klangflokati schmiegte. Das sehr gefällige Stück bescherte dem Komponisten und seinen Mitstreitern herzlichen Beifall. Gustavo Dudamel ist im Musikverein angekommen, es wäre spannend, wie sich dieser Exot im Dreivierteltakt-Repertoire der Johann-Strauß-Ära zurechtfände.

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